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Rechtliche Anforderungen an die ärztliche Aufklärung

Die Aufklärung durch den Arzt vor einem operativen Eingriff muss grundsätzlich mündlich stattfinden und darf nur ergänzend auf schriftliche Unterlagen verweisen. Der für die selbstbestimmte Entscheidung des Patienten für oder gegen den Eingriff notwendige Inhalt muss immer mündlich mitgeteilt werden. Darauf wies unlängst der Bundesgerichtshof (BGH) in einer Entscheidung ausdrücklich hin (Urt. v. 5.11.2024, Az. VI ZR 188/23). Der BGH gab damit der Revision des Patienten statt, der seinen Arzt wegen einer vermeintlich fehlerhaften Aufklärung über OP-Risiken verklagt hatte.

 

Bei dem Kläger war eine Arthrose im rechten Sprunggelenk festgestellt worden. Zunächst empfahl man ihm, diese konservativ mit Bewegungsübungen und Belastungsreduktion zu behandeln. Nachdem sich die Beschwerden nicht besserten, riet ihm der Behandler zu einer Operation. Nach Durchführung der Operation beklagte der Patient Missempfindungen im rechten Fuß. Es wurde festgestellt, dass diese auf eine Nervenschädigung zurückzuführen waren, zu der es bei der ersten OP gekommen ist. Es folgte eine weitere operative Behandlung.

 

Der Patient verlangte daraufhin Schadensersatz und Schmerzensgeld und nahm den Behandler schließlich gerichtlich in Anspruch. Er macht im Verfahren geltend, er sei weder über die Behandlungsalternativen sowie das Risiko der Arthroskopie, insbesondere nicht über das Risiko der Nervenschädigung, aufgeklärt worden. Er sei infolge der Operation erwerbslos, dauerhaft erwerbsunfähig und im Übrigen zu 60 Prozent schwerbehindert. Er stützt seine Ansprüche auf Aufklärungspflichtverletzungen des Arztes nach § 280 Abs. 1, § 823 Abs. 1, § 630e Abs. 2 BGB.

 

Der Beklagte ist dem entgegengetreten und hat den Einwand der hypothetischen Einwilligung erhoben, also vorgetragen, der Patient hätte seine Einwilligung zur Operation auch erteilt, wenn er vorab vollständig über Behandlungsalternativen und Risiken wie Nervenschädigungen aufgeklärt worden wäre.

 

Erstinstanzlich wies das Landgericht Darmstadt die Klage ab. Das Oberlandesgericht Frankfurt (Berufungsinstanz) wies die Berufung ebenfalls ab. Vor dem BGH (Revisionsinstanz) hatte der Patient mit seiner Revision hingegen Erfolg. Das OLG habe, so der BGH, die Anforderungen an die Mittel der Kommunikation bei der Aufklärung unzutreffend beurteilt.

 

Der BGH betont in seiner Entscheidung, dass eine wirksame Einwilligung des Patienten dessen ordnungsgemäße Aufklärung nach § 630d Abs. 2 BGB voraussetzt. Dabei müssten zwar die in Betracht kommenden Risiken nicht exakt medizinisch beschrieben werden. Es genüge, den Patienten im Großen und Ganzen über Chancen und Risiken der Behandlung aufzuklären und ihm dadurch eine allgemeine Vorstellung von dem Ausmaß der mit dem Eingriff verbundenen Gefahren zu vermitteln, ohne diese zu beschönigen oder zu verschlimmern.

 

Die Form der Aufklärung ergibt sich dabei aus § 630e Abs. 2 BGB. Demnach muss die Aufklärung mündlich erfolgen. Ergänzend darf auf Unterlagen Bezug genommen werden, die der Patient in Textform erhält. Das bedeute, so der BGH, dass auf den Text zur Wiederholung des Gesagten, zur bildlichen Darstellung und zur Verbesserung des Verständnisses des mündlich Erläuterten und zur Vermittlung vertiefender Informationen, die aber für das Verständnis der Risiken nicht unbedingt notwendig sind, verwiesen werden könne.

 

Es bleibe aber die Aufgabe des Arztes, sich im Aufklärungsgespräch davon zu überzeugen, dass der Patient die mündlichen wie schriftlichen Hinweise und Informationen tatsächlich verstanden hat. Das aber habe das OLG Frankfurt nach Einschätzung des BGH nicht vollständig berücksichtigt. Das OLG hatte in seiner Entscheidung zugrundegelegt, dass es offenbleiben könne, ob in den mündlichen Gesprächen der Parteien das Risiko einer Nervenschädigung ausdrücklich erwähnt worden ist oder nicht, weil gerade nicht der gesamte Inhalt des Aufklärungsbogens im mündlichen Gespräch wiederholt werden müsse. Diese Auffassung hat der BGH nicht geteilt.

 

Mangels anderweitiger Feststellungen sei stattdessen davon auszugehen, dass das Risiko der Nervenschädigung nicht mündlich zur Sprache kam. In solch einem Fall könne man den Aufklärungsbogen nicht ausreichen lassen. Das Risiko einer Nervenschädigung und ihre Auswirkungen hätte im Aufklärungsgespräch vom aufklärenden Arzt ausdrücklich benannt werden müssen. Auch auf eine hypothetische Einwilligung könne sich der Arzt, so der BGH, nicht berufen, die Ausführungen im Berufungsurteil seien diesbezüglich fehlerhaft. Der BGH hat die Sache zur Entscheidung zurückverwiesen. Das OLG Frankfurt muss den Fall nun unter Beachtung der Maßstäbe aus der Entscheidung des BGH neu entscheiden.