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Nach Entscheidung des EuGH: Eine erste Kopie der Patientenakte steht dem Patienten kostenlos zu

Das Recht eines Patienten, Einsicht in die Patientenakte zu nehmen und seine Behandlungsunterlagen anzufordern, ist gesetzlich seit rund zehn Jahren in den §§ 630f, 630g BGB geregelt. Danach ist der Behandelnde verpflichtet, eine Patientenakte in Papierform oder elektronisch zu führen. Dem Patienten ist auf Verlangen unverzüglich Einsicht in seine vollständige Patientenakte zu gewähren, soweit nicht erhebliche therapeutische Gründe oder sonstige erhebliche Rechte Dritter dem entgegenstehen. Ebenso eindeutig legt § 630g Abs. 2 BGB fest, dass der Patient dem Behandelnden die durch die Einsichtnahme bei Ausfertigung von Anschriften entstehenden Kosten zu erstatten hat.

 

Seit Geltung der Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO) ist diese Regelung jedoch in Frage gestellt. Mit der Frage, ob Patienten die Patientenakte kostenlos zur Verfügung gestellt bekommen müssen, beschäftigte sich zuletzt auch den Bundesgerichtshof (BGH). Dieser legte die Frage dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor.

 

Im Ausgangsverfahren forderte ein Mann aus Sachsen-Anhalt von seiner Zahnärztin die Aushändigung von Kopien seiner Patientenakte. Sie forderte im Gegenzug, dass er die Kosten dafür übernimmt. Die Zahnärztin war der Ansicht, sie müsse dem Patienten keine Kopie der Patientenakte kostenlos zur Verfügung stellen. Die Übernahme der Kosten lehnte der Patient jedoch unter Hinweis auf die DS-GVO ab.

 

Das erst- und zweitinstanzliche Gericht gaben dem Patienten Recht. Sie entschieden, dass das nationale Recht im Lichte der europäischen Vorschriften, der Art. 12 Abs. 5 und Art. 15 Abs. 1 und 3 DS-GVO, auszulegen wäre. Der mit der Revision befasste BGH legte die Sache dem EuGH vor. Seiner Auffassung nach hing die Entscheidung des Rechtsstreits maßgeblich davon ab, wie die genannten Bestimmungen der DS-GVO auszulegen sind. Aus den nationalen Vorschriften ergebe sich keine Verpflichtung eine Kopie der Patientenakte kostenlos herauszugeben.

 

Nun hat der EuGH auf die Vorlage des BGH entschieden, dass Patienten ein Recht darauf haben, die erste Kopie der Patientenakte kostenlos zu erhalten. (vgl. Urt. v. 26.10.2023, Az. C-307/22)

 

Dies gilt nach Auffassung des EuGH auch, wenn die betroffene Person ihren Antrag mit einem datenschutzfremden Zweck begründet. Hinsichtlich der Rechte nach DS-GVO bestünde keine Pflicht zur Begründung. Ob der Patient wissen möchte, welche Daten über ihn gespeichert werden oder ob er einen Behandlungsfehler vermuten, ist deshalb nicht von relevanz. Der EuGH urteilte, dass der Patient eine vollständige Kopie der Dokumente in der Patientenakte kostenlos verlangen darf, wenn dies für das Verständnis erforderlich ist. Dies schließt Daten aus der Patientenakte ein, die Informationen wie beispielsweise Diagnosen, Untersuchungsergebnisse, Befunde und Angaben zu Behandlungen oder Eingriffen enthalten. Der Datenschutz soll, so er EuGH, ein „gleichmäßiges und hohes Schutzniveau für natürliche Personen“ gewährleisten. Selbst wenn das für Ärzte Zeit und Aufwand bedeutet - die wirtschaftlichen Interessen der Behandler müssten zurückstehen, damit das Auskunftsrecht der DS-GVO praktisch wirksam ist.