Landgericht Verden, Urteil v. 30.11.2022, Az. 1 O 196/22 (rechtskräftig)
Unsere Mandantin – eine Großhändlerin – wurde als Beklagte vor dem Landgericht Verden von einem Endverbraucher mit der Behauptung in Anspruch genommen, für Fehler eines durch sie vertriebenen Produktes nach Grundsätzen des Produkthaftungsrechts verantwortlich zu sein. Sie sollte Schadensersatz und Schmerzensgeld leisten, nachdem es aufgrund eines Produktfehlers zu einem Unfall gekommen sein sollte.
Bereits außergerichtlich hatte unsere Mandantin durch Ihren Haftpflichtversicherer unaufgefordert darauf hingewiesen, selbst nur Lieferantin, nicht aber Herstellerin des Produktes zu sein. Sie hat dem vermeintlich Geschädigten den Namen und die Anschrift der in Tschechien ansässigen Herstellerfirma mitgeteilt.
Rechtsstreit vor dem Landgericht Verden
Die Entscheidung befasst sich mit Leiden einer zum Zeitpunkt des Urteilsspruchs bereits verstorbenen Patientin. Diese war auf Überweisung eines Internisten mit Darmblutungen beim beklagten Arzt vorstellig geworden. Der beklagte Arzt kam – ohne eine Darmspiegelung oder eine Mastdarmspiegelung durchzuführen, zu der Diagnose, dass die Patientin an Hämorrhoiden und einer Analfissur leide und richtete seine Behandlung darauf aus. Nach weiteren Terminen stellte der beklagte Arzt Beschwerdefreiheit fest.
Etwa 7 Monate darauf befand sich die Patientin in stationärer Behandlung in einem Klinikum. Dort berichtete sie, seit etwa einem halben Jahr unter täglicher Diarrhoen sowie Blut im Stuhl zu leiden. Dort wurde eine fortgeschrittene Darmkrebserkrankung mit Metastasenbildung diagnostiziert. 4,5 Jahre nach dieser Diagnose erlag die Patientin trotz zahlreicher Therapien und Operationen ihrer Erkrankung.
Die Erben der Patientin führten den Rechtsstreit gegen den zuerst befassten Behandler fort.
Entscheidung der Gerichte
Gleichwohl erhob der Geschädigte gegen unsere Mandantin Klage und ließ vortragen, er könne sich nicht dazu erklären, ob das Produkt nicht durch die Beklagte aus einem nicht zum europäischen Wirtschaftsraum gehörenden Drittstaat importiert worden sei. Aus einem Interneteintrag des Herstellers ergebe sich jedoch, dass diese ihre Produkte in Taiwan herstelle. Außerdem hafte die Beklagte – so die Meinung des Klägers – auch deshalb, weil sie nach Auffassung des Klägers den tatsächlichen Hersteller nicht binnen einer Frist von einem Monat benannt habe.
Das Landgericht Verden hat die Klage mit Urteil vom 30. November 2022 als unbegründet abgewiesen. Es kam dem Gericht dabei nicht auf die Frage an, ob das besagte Produkt überhaupt fehlerhaft gewesen ist. Es fehlte nämlich bereits an einer nach ProdHaftG erforderlichen Herstellereigenschaft der Beklagten. Diese war – das ist zwischen den Parteien unstreitig – nicht die tatsächliche Herstellerin des Produktes.
Es gilt jedoch auch derjenige im Sinne des ProdHaftG als Hersteller, der ein Produkt in den Geltungsbereich des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum einführt. Eine Haftung der Beklagten kam jedoch auch nach diesen Gesichtspunkten nicht in Betracht. Die Beklagte hatte vorgetragen und unter Beweisangebot gestellt, das Produkt selbst von dem Hersteller erworben zu haben, der seinen Sitz in Tschechien hat. Der Import erfolgte durch sie innereuropäisch. Dem war der Kläger nicht durch einen geeigneten abweichenden Sachvortrag entgegengetreten. Er blieb deshalb für seine davon abweichenden, auf Spekulationen beruhenden Behauptungen auch mangels entsprechender geeigneter Beweisangebote beweisfällig.
Der Kläger konnte sich nach der Entscheidung des Landgerichts auch nicht darauf berufen, dass die Beklagte als Lieferantin hafte, weil sie den tatsächlichen Hersteller zu spät benannt habe. Tatsächlich sieht § 4 Abs. 3 ProdHaftG vor, dass auch der Lieferant wie ein Hersteller haftet. Das setzt aber voraus, dass er nach Aufforderung durch den Geschädigten binnen einer Frist von einem Monat weder den tatsächlichen Hersteller noch diejenige Person benennt, von der er das Produkt geliefert erhalten hat. Der hiesige Kläger hatte es jedoch außergerichtlich – wie eingangs bereits erwähnt – versäumt, die Beklagte zur Benennung des Herstellers aufzufordern. So konnte eine durch die Haftpflichtversicherung im Rahmen der außergerichtlichen Korrespondenz unaufgefordert erfolgte Benennung des Herstellers nicht verspätet sein. Die gesetzlich vorgesehene Monatsfrist war mangels eines Auskunftsbegehrens des Klägers noch nicht ausgelöst worden.
Haftungsansprüche der Beklagten lehnte das Landgericht Verden folglich ab und wies die Klage vollumfänglich ab.
Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Celle
Eine daraufhin seitens des Klägers eingelegte Berufung zum Oberlandesgericht Celle blieb ebenfalls erfolglos. Nach einem Hinweisbeschluss des Gerichts, in dem das Berufungsgericht ausführte, die Entscheidung des Landgerichts Verden als zutreffend zu erachten, nahm der Kläger die Berufung zurück.