Das Landgericht Verden hat sich in dem Urteil vom 22.07.2022 (Az.: 8 O 107/21) mit folgender Sache befasst. Der Kläger, ein selbstständiger Geschäftsmann, der selbst hergestellte Waren vertreibt, erlitt im Jahre 2017 einen Bandscheibenvorfall, wodurch er unstreitig berufsunfähig wurde. Seine private Berufsunfähigkeitsversicherung erkannte die Leistungspflicht an und zahlte ihm eine Berufsunfähigkeitsrente. Im Jahre 2020 beauftragte die Beklagte, jene Versicherungsgesellschaft, eine Nachbegutachtung des Klägers. In diesem Gutachten wurde festgestellt, dass der Kläger nun den kaufmännischen Tätigkeiten wieder zu 100 % nachkommen könne und ihm die fertigenden Tätigkeiten zu 80 % möglich seien. Daraufhin stellte die Beklagte die Leistung ein und machten dem Kläger davon Mitteilung. Diese Entscheidung der Beklagten wollte der Kläger gerichtlich überprüft wissen. Er verlangt klageweise von der Versicherung die Zahlung ausstehender Berufsunfähigkeitsrenten seit dem Zeitpunkt der Zahlungseinstellung und die gerichtliche Feststellung, dass ihm weiterhin die Versicherungsleistungen auch zukünftig zustehen.
Das Gericht gab der Klage weitestgehend statt. Die Einstellungsmittelung der Beklagten erfülle schon die formalen Anforderungen nicht. Sie sei nur dann wirksam, wenn nachvollziehbar begründet ist, warum die bereits anerkannte Leistungspflicht enden soll. Dafür muss der Versicherer den Zustand, der bei dem Anerkenntnis der Leistung bestand, mit dem Zustand vergleichen, auf den sich die Leistungseinstellung beruft. Wenn sich der Versicherer auf eine Verbesserung des Gesundheitszustandes bezieht, so muss sich die Vergleichsbetrachtung an den veränderten gesundheitlichen Verhältnissen orientieren. Des Weiteren müssen in dem Anschlussgutachten auch Ausführungen zu dem Berufsbild des Klägers enthalten sein sowie Ausführungen dazu, inwiefern eine Verbesserung in Hinblick auf dieses Berufsbild und auf welche konkreten Tätigkeiten erfolgt sein soll. Diesen formellen Anforderungen habe die Beklagte mit ihrem Schreiben an den Kläger nicht entsprochen.
Auch wurde in dem Gutachten nur auf Beschwerden eingegangen, die direkt aus dem Bandscheibenvorfall folgten. Die bei dem Kläger noch bestehenden Schmerzen wurden am ehesten als chronifiziertes Schmerzsyndrom gedeutet, auf eine daraus folgende mögliche Einschränkung wurde mangels Auftrag der Beklagten seitens des Gutachters nicht eingegangen. Die Vergleichsbetrachtung hätte jedoch - so das Gericht - im Hinblick auf sämtliche Beschwerden erfolgen müssen.
Es wurde von Beklagtenseite Berufung beim Oberlandesgericht Celle eingelegt. Hier steht die Entscheidung aus.
An diesem Fall lässt sich erkennen, dass der Versicherer einigen formalen Anforderungen genügen muss, um eine Leistung wirksam einzustellen, selbst wenn eine solche Einstellung möglicherweise berechtigt wäre. Die Einstellungsmitteilungen privater Berufsunfähigkeitsversicherungen sind keinesfalls unangreifbar. Eine genaue Prüfung kann sich lohnen.