In einer wichtigen Entscheidung hat das BAG letztes Jahr entschieden, dass Arbeitgeber zur Einführung einer elektronischen Arbeitszeiterfassung verpflichtet sind (BAG Beschl. v. 13.9.2022 – 1 ABR 22/21). Im folgenden Beitrag wird das Urteil vorgestellt und ein Blick auf die praktischen Probleme geworfen.
Sachverhalt – Worum ging es?
Der Rechtsstreit behandelte im Kern die Frage, ob der Arbeitgeber zur Einführung einer elektronischen Arbeitszeiterfassung verpflichtet ist und in welchem Umfang ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates in dieser Frage besteht. Nachdem eine Betriebsvereinbarung über die Einführung einer elektronischen Zeiterfassung scheiterte, setzte der Betriebsrat zog dieser zunächst vor die Einigungsstelle und im Anschluss vor die Arbeitsgerichte.
Kein Initiativrecht des Betriebsrates
Das vom Betriebsrat behauptete Initiativrecht lehnte das BAG im Ergebnis ab. Die Mitbestimmung des Betriebsrates richtet sich im Wesentlichen nach § 87 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Bei der Einführung von technischen Einrichtungen, zu denen auch die elektronische Zeiterfassung zählt, hat der Betriebsrat zwar mitzubestimmen und auch ein Initiativrecht. Dies ist allerdings nicht der Fall, sofern bereits eine gesetzliche Regelung besteht, die den Arbeitgeber entsprechend verpflichtet. So entschied das BAG, dass aus diesem Grund ein Initiativrecht in Bezug auf elektronische Zeiterfassung ausscheidet, weil bereits eine gesetzliche Regelung existiert, die den Arbeitgeber zu dessen Einführung verpflichtet.
Pflicht des Arbeitgebers zur Zeiterfassung
Wie sieht diese Pflicht des Arbeitgebers zur Zeiterfassung aus? Für das BAG ergibt sich diese Pflicht aus § 3 Abs. 2 Nr 1 ArbSchG. Demnach hat der Arbeitgeber für eine geeignete Organisation zu sorgen und die erforderlichen Mittel bereitzustellen. Dies kann nach dem BAG auch die Einführung eines elektronischen Zeiterfassungssystems bedeuten.
Arbeitgeber sind dem BAG zufolge verpflichtet „ein System einzurichten, mit dem Beginn und Ende und damit die Dauer der Arbeitszeiten einschließlich der Überstunden der Arbeitnehmer in ihrem gemeinsamen Betrieb erfasst werden“. Dies umfasst darüber hinaus auch die Pausen des Arbeitnehmers. Außerdem muss das System objektiv, verlässlich und zugänglich ausgestaltet sein.
Folgen für Arbeitgeber
Die Pflicht für Arbeitgeber ergibt sich nach dem BAG ab sofort und ohne Übergangszeit aus § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG. In mancherlei Hinsicht besteht ein Spielraum bei der praktischen Ausgestaltung. So hat das BAG ausdrücklich klargestellt, dass die Zeiterfassung den Arbeitnehmern überlassen werden kann. Außerdem muss das Zeiterfassungssystem nicht elektronischer Natur sein. Ein analoges System, wie etwa der klassische Stundenzettel, ist weiterhin zulässig.
Insbesondere die Frage der Vertrauensarbeitszeit hat Unsicherheit hervorgerufen. Eine Regelung im Betrieb, nach der Arbeitnehmer Beginn und Ende ihrer Arbeitszeit selbstständig festlegen dürfen, wird jedoch überwiegend weiterhin für möglich gehalten. Solange die Arbeitszeit im Einklang mit den Vorgaben des BAG festgehalten wird, bleiben flexible Arbeitszeitmodelle unangetastet.
Noch nicht gänzlich geklärt ist die Frage des Arbeitnehmerkreises bzw. ob auch leitende Angestellte von der Pflicht umfasst sind. Daher sollten auch die politischen Entwicklungen im Auge behalten werden, denn es ist gut möglich, dass der Gesetzgeber die Vorgaben zukünftig weiter präzisiert.
Schließlich bleibt die Frage der Sanktionierung. Nach derzeitiger Rechtslage ist ein Verstoß gegen die vom BAG aufgestellte Pflicht zur Zeiterfassung nicht bußgeldbewehrt. Zu beachten ist jedoch, dass die Aufsichtsbehörden die Einhaltung der Pflicht zur Zeiterfassung überprüfen können.
Arbeitgeber sind also gut beraten bestehende Systeme anhand der Kriterien des BAG zu prüfen oder ein System einzuführen, wenn dies im Betrieb noch nicht existiert.