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Wer entscheidet über die Behandlung des Kindes? - Erörterung am Beispiel der Corona-Schutzimpfung

Die Debatte um eine Impfpflicht hat mittlerweile auch die neu gebildete Regierung erreicht, deren Ausgang ist indes offen. Die Ständige Impfkommission hat jüngst die Impfung auch für Kinder im Alter von 5 bis 11 Jahren empfohlen. Die Entscheidung über die Impfung von minderjährigen Kindern liegt bei den sorgeberechtigten Eltern. Was aber ist zu tun, wenn die Eltern über die Impfung des Kindes uneinig sind? Einen solchen Fall hatte das OLG Frankfurt (Beschluss vom 17.08.2021 - 6 UF 120/21) zu entscheiden.

Sachverhalt

Die über die Impfung streitenden Eltern hatten das gemeinsame Sorgerecht über den hauptsächlich bei der Mutter lebenden Sohn inne. Während der Vater die Impfung befürwortete, lehnte die Mutter die Impfung ihres Sohnes ab. Das Kind selbst befürwortete die Impfung und auch die Hausärztin empfahl die Impfung aufgrund einiger Vorerkrankungen des Kindes. Der Vater beantrage daraufhin vor dem Familiengericht ihm im Wege der einstweiligen Anordnung die Befugnis über die Entscheidung der Impfung zu übertragen. Das Familiengericht gab dem Vater Recht. Die Mutter legte dagegen vor dem OLG Frankfurt Beschwerde ein, die allerdings erfolglos blieb.

Rechtsrahmen bei Uneinigkeit der Eltern im Sorgerecht

Eltern, die das gemeinsame Sorgerecht besitzen entscheiden auch gemeinsam über alle wichtigen Entscheidungen, die das Kindeswohl betreffen. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Eltern geschieden sind. Probleme ergeben sich, wenn sich die geschiedenen Eltern über eine konkrete Entscheidung nicht einigen können. Maßgebende Norm für den Fall von Streitigkeiten der Eltern ist § 1628 BGB. Demnach kann das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung in einer einzelnen Angelegenheit oder in einer bestimmten Art von Angelegenheiten der elterlichen Sorge, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist einem Elternteil übertragen, wenn sich die Eltern nicht einigen können. Ein solcher Antrag lag auch der Entscheidung des Familiengerichts zugrunde. Bereits zu anderen Schutzimpfungen des Kindes hat der BGH entschieden, dass dies eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind ist. Dies trifft, wie das OLG annimmt, auch auf die Corona-Schutzimpfung zu. Somit kann die Entscheidung über die Corona-Schutzimpfung auf ein Elternteil übertragen werden.

OLG Frankfurt: Entscheidungsbefugnis für Elternteil, das Impfung befürwortet

Das OLG übertrug im Ergebnis dem Vater die Entscheidungsbefugnis für die Durchführung der Impfung. Aus zweierlei Gründen nahm das OLG eine besondere Dringlichkeit der Entscheidung an, die für eine einstweilige Anordnung erforderlich ist. Dies seien zum Einen die zum Zeitpunkt der Entscheidung steigenden Inzidenzzahlen und die damit verbundene erhöhte Ansteckungsgefahr. Zum anderen stellte das OLG auf die drohenden Freiheitseinschränkungen ab, die eine fehlende Impfung zur Folge hätte, wie bspw. Quarantäneregelungen nach geplanten Urlaubsreisen. Aufgrund des erhöhten Infektionsrisikos könne daher die Entscheidung der Hauptsache nicht abgewartet werden.

 

Die Entscheidung nach § 1628 BGB welchem Elternteil die Entscheidungsbefugnis zu erteilen ist, richtet sich dem OLG zufolge nach dem Kindeswohl. Sie ist deshalb dem Elternteil zu übertragen, dessen Konzept dem Kindeswohl besser fördert. Nach dem OLG Frankfurt sei bei der Corona-Schutzimpfung die Entscheidungsbefugnis deshalb dem Elternteil zu übertragen, welches die Impfung befürwortet. Das OLG knüpft hier an die Rechtsprechung des BGH an. Dieser hatte für die Schutzimpfung von Kindern bereits klargestellt, dass die Entscheidungsbefugnis dem Elternteil übertragen werden kann, der die Impfung des Kindes im Einklang mit den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission beim Robert-Koch-Institut befürwortet. Zum Zeitpunkt der Entscheidung des OLG bestand eine Empfehlung zur Impfung der ständigen Impfkommission für Kinder und Jugendliche im Alter von 12 bis 17 Jahre, die aufgrund von Vorerkrankungen einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt sind. Dies traf auf das Kind zu. Zudem sei auch der Wille des Kindes in der Entscheidung zu berücksichtigen, wenn das Kind aufgrund der geistigen Entwicklung zu einer eigenständigen Meinungsbildung in der Lage ist. Weil das 15 jährige Kind die Impfung befürwortete, war dem Vater die Entscheidung über die Impfung zu übertragen.