Veröffentlicht als Beitrag in der ALLERdings, August 2021, 25. Jahrgang (S. 23), online hier einsehbar
In Deutschland verletzen sich jährlich rund neun Millionen Menschen bei Unfällen; eine Million davon sogar so schwer, dass sie im Krankenhaus behandelt werden müssen. Wer während seiner
Berufstätigkeit oder auf dem Hin- oder Rückweg zum Arbeitsplatz verunglückt, ist durch die gesetzliche Unfallversicherung abgesichert. Für Unfälle in der Freizeit gilt dieser Versicherungsschutz
nicht. Es kann allerdings durch den Abschluss einer privaten Unfallversicherung vorgesorgt werden. Nicht selten folgen aus diesem Versicherungsschutz Streitigkeiten zwischen dem Versicherer und
dem Versicherungsnehmer.
Der Unfallversicherer lehnt mitunter seine Eintrittspflicht schon mit der Begründung ab, dass überhaupt kein Versicherungsfall gegeben sei, weil es an einem Unfall fehle. Der Versicherungsfall in
der privaten Unfallversicherung setzt, wie der Name schon sagt, immer einen solchen voraus. Dieser muss – so die eine gängige Definition – unfreiwillig geschehen. Wesensmerkmale des Unfalles im
Sinne der Versicherung sind das plötzlich von außen auf den Versicherten wirkende Unfallereignis und die dadurch verursachte Verletzung, § 178 Abs. 2 VVG. Wer sich bewusst Verletzungen beibringt,
genießt hingegen keinen Versicherungsschutz.
Selbst wenn der Versicherer den Eintritt eines Unfalls anerkennt, gilt es für den Versicherten einiges zu beachten, um seine Ansprüche optimal durchzusetzen. Allem voran gilt es hier, sämtliche
maßgebliche Fristen zu kennen und zu beachten. Werden Fristen versäumt, besteht bereits aus diesem Grund die Gefahr erheblicher Nachteile für den Versicherten. Versäumnisse können mitunter sogar
zur Folge haben, dass der Versicherer völlig leistungsfrei wird, sich Ansprüche also nicht verwirklichen lassen.
Nach Eintritt des Unfalls ist zunächst unverzüglich – d.h. ohne schuldhaftes Zögern – der Versicherer zu informieren. Dies sollte möglichst schriftlich erfolgen. Der Versicherte muss des Weiteren
innerhalb des vertraglich vereinbarten Zeitraums, zumeist innerhalb von 15 Monaten, schriftlich durch einen Arzt feststellen lassen, dass durch den Unfall wahrscheinlich eine Invalidität
verbleibt. In den Versicherungsbedingungen gilt dieser Zeitraum als Ausschlussfrist. Deshalb sollte eine entsprechende Feststellung des Arztes unter Hinweis auf das Versicherungsverhältnis
zeitnah eingefordert werden. Wird diese Frist versäumt, besteht kein Leistungsanspruch mehr gegenüber dem Unfallversicherer. Manche Versicherer verlängern die Frist von üblicherweise 15 Monaten
in ihren Versicherungsbedingungen auf 18 oder 24 Monate. Es ist deshalb zwingend erforderlich, die Versicherungsbedingungen gründlich zu
studieren.
Schließlich ist der Zeitpunkt der endgültigen Invaliditätsfeststellung für den Versicherten ein maßgebliches Datum. Wenn bereits ein Jahr nach dem Unfallereignis eine Invalidität eingetreten ist,
die sich nicht mehr verbessert, hat der Versicherte zu diesem Zeitpunkt einen Anspruch auf Entschädigung. Wenn allerdings nicht klar ist, ob die Invalidität sich noch verändert, zahlt der
Versicherer – von Vorschüssen abgesehen – regelmäßig noch keine Entschädigung aus. Entscheidend ist hier, wie hoch die Invalidität 3 Jahren nach dem Unfall ist. Aus diesem Grund wird in der Regel
kurz vor Ablauf dieses Zeitraums eine letzte Untersuchung vom Versicherer vorgenommen und das Ergebnis dann als endgültig der Abrechnung zugrunde gelegt und die entsprechende
Entschädigungszahlung geleistet.
Uneinigkeit besteht schließlich in vielen Fällen über die Höhe der zu zahlenden Invaliditätsleistung. Diese ist davon abhängig, in welchem Maß Invalidität eingetreten ist, und welche Gliedertaxen
im Versicherungsvertrag vereinbart werden. Aus diesen Parametern errechnet sich der konkret zu leistende Betrag. Zur Klärung dieser auch medizinischen Fragen wird man regelmäßig nicht darauf
verzichten können, einen Sachverständigen zu befragen. Wird man sich mit dem Versicherer nicht einig, muss hierüber in einem gerichtlichen Verfahren ein unabhängiges Sachverständigengutachten
eingeholt werden, was den Invaliditätsgrad feststellen soll. Über die Höhe des tatsächlich bestehenden Anspruchs entscheidet dann das Gericht.
Dr. Mikola Preuß ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Rahn & Kollegen mit Schwerpunkten u.a. im Medizinrecht, Arzthaftungsrecht und Versicherungsrecht