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Dieselskandal: Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung ist eine vorsätzlich sittenwidrige Schädigung, die zum Schadensersatz verpflichtet

Das Auto ist des Deutschen liebstes Kind. Sieben der zehn Fahrzeugtopseller 2019 stammten aus dem VW-Konzern. Der Golf war das meistverkaufte Auto in Deutschland. Der Sharan ist mittlerweile ausgelaufen. Mit einem solchen Fahrzeug hatte sich der Bundesgerichtshof in einer am 25.5.2020 verkündeten Entscheidung zu befassen.

Der Kläger erwarb im Januar 2014 von einem Händler einen gebrauchten Sharan mit einem Kilometerstand von 20.000 km. Für den Fahrzeugtyp wurde die Genehmigung nach der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 erteilt. Der Bundesgerichtshof hatte die Frage zu entscheiden, ob VW diese Genehmigung in rechtlich nicht zu beanstandender Weise erlangt hatte. Der VW-Konzern hatte nämlich im September 2015 öffentlich eingeräumt, mittels einer Software die Einhaltung der maßgeblichen Grenzwerte erreicht zu haben. Die findigen Ingenieure hatten eine Abschaltsoftware entwickelt, die erkennt, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand oder aber im normalen Verkehr befindet. Diese Erfindung mag technisch spektakulär sein. Der Erwerber eines solchen Fahrzeuges geht aber in der Regel nicht davon aus, dass der Gesetzgeber die Grenzwerte nur für den Prüfstand vorgegeben hat.

 

Dies sieht auch der Bundesgerichtshof so. Der Konzern habe sittenwidrig gegenüber dem Kläger gehandelt, weil der Konzern die grundlegende strategischen Entscheidung getroffen habe, Fahrzeuge in den Verkehr zu bringen, die nur auf dem Prüfstand in der Lage sind, mittels einer Abschaltvorrichtung die Abgasgrenzwerte einzuhalten. „Ein solches Verhalten ist im Verhältnis zu einer Person, die eines der bemakelten Fahrzeuge in Unkenntnis der illegalen Abschalteinrichtung erwirbt, besonders verwerflich…“ so der Bundesgerichtshof in seiner Presseerklärung zu dem Urteil. Die auch interessante Frage, wie der Schaden zu ermitteln ist, hat der Bundesgerichtshof eindeutig beantwortet. Er ist nicht etwa in der Differenz möglicher Wiederverkaufswerte mit und ohne Softwareupdate zu sehen. Da der Käufer durch eine einer arglistigen Täuschung gleichstehende sittenwidrige Schädigung zum Erwerb des Fahrzeuges bestimmt worden ist, liegt der Schaden schon in der Eingehung der schuldrechtlichen Verpflichtung zum Erwerb des Fahrzeuges.

Der Kaufvertrag ist demnach konsequenterweise rückabzuwickeln. Der geschädigte Käufer darf allerdings nicht erwarten, das Fahrzeug während der Nutzungszeit kostenlos fahren zu können. In Hinblick auf das schadenersatzrechtliche Bereicherungsverbot hat er sich den Nutzungsvorteil anrechnen zu lassen. Gegen Rückgabe des Fahrzeugs erhält er nun den Kaufpreis abzüglich der jeweils gesondert zu ermittelnden Nutzungsentschädigung. Ob ein VW künftig des Deutschen liebstes Kind bleiben wird? Das bleibt vor dem Hintergrund dieser Entscheidung abzuwarten.