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Die richterliche Auswahlentscheidung des Sachverständigen im Arzthaftungsprozess

Das Oberlandesgericht (OLG) Dresden hatte sich ausweislich des Anfang dieses Jahres ergangenen Urteils (OLG Dresden, Urteil vom 22. Februar 2022, Az.: 4 U 2323/20) mit einem bemerkenswerten Fall zu befassen. Der Kläger – ein ehemaliger Patient – verlangt von der beklagten Klinik aufgrund einer behaupteten Harnleiterläsion während eines ärztlichen Heileingriffs Schadensersatz und Schmerzensgeld. Der Kläger sieht darin ein schuldhaftes und pflichtwidriges Verhalten des Behandlers. Das OLG Dresden hat die auf die klageabweisende Entscheidung des Landgerichts Chemnitz hin eingelegte Berufung als unbegründet zurückgewiesen. Bemerkenswert ist die Entscheidung jedoch deshalb, weil sich das Gericht dabei mit der Frage zu beschäftigen hatte, welche Folgen es hat, wenn das Gericht einen Sachverständigen benennt, der Fragen zu beantworten hat, die nicht in seinem Sachgebiet liegen.

Die Auswahl des Sachverständigen ist, so das OLG Dresden, eine im Ermessen des Gerichts stehende Aufgabe. Wählt das Gericht einen Sachverständigen aus einem falschen Sachgebiet aus, handelt es sich um einen Fall einer fehlerhaften Ermessensausübung. Denn das Gericht habe grundsätzlich einen Sachverständigen aus demjenigen Sachgebiet zu benennen, in das der Eingriff fällt.

In dem vorliegenden Fall einer intraoperativen Versorgung einer während einer Sigmaresektion aufgetretenen Läsion des Harnleiters unterfalle der Eingriff dem Facharztstandard der Sigmaresektion. Demzufolge sei es nicht zu beanstanden, einen Sachverständigen aus dem Fachbereich eines Operateurs, also aus der Allgemein-, Viszeral- und Gefäßchirurgie zu bestellen. Es sei nicht geboten gewesen, auf die Wahrung des urologischen Facharztstandards abzustellen und deshalb einen Sachverständigen aus dem Sachgebiet der Urologie zu bestellen. Das Gericht hat folglich einen Ermessensfehler der ersten Instanz für nicht gegeben erachtet.